Lucja Radwan lebt seit 40 Jahren in Österreich. Sie ist eine Malerin, die in zwei Kulturen verwurzelt ist.
Die Mutter, eine aus Salzburg stammende Oberösterreicherin, hat den Großteil ihres Lebens mit ihrer Familie in Zabłędza, einem Nachbardorf von Tuchów, verbracht. Zweisprachigkeit, zwei Kulturen, wurden Lucja in die Wiege gelegt. Nach Wien kam sie mit einem in Österreich sehr gefragten Diplom, welches es ihr ermöglichte, sofort als Diplomkrankenschwester im AKH zu arbeiten.
Sie hatte nicht nur einen interessanten Job, sondern auch das Glück, dank der Nähe zur Künstlerischen Volkshochschule in der Lazarettgasse, ihre künstlerische Leidenschaft fortsetzen zu können. Die Liebe zur Malerei hat ihr Leben geprägt. Effiziente Mal-Workshops und Privatstunden haben ihre Technik ständig perfektioniert.
Aus ihrer Leidenschaft ist ein zweiter Beruf geworden. Nach vielen vom Erfolg und Anerkennung in der künstlerischen Gemeinschaft geprägten Jahren in der Hauptstadt hat die Künstlerin die mutige Entscheidung getroffen, Wien zu verlassen und in der größten Weinbaugemeinde Österreichs, in Gols im Burgenland, ansässig zu werden.
Lucja kaufte ein altes Winzerhaus, in dem nach einem großen Umbau ihr Traum verwirklicht wurde. Es ist ein wunderschönes Atelier mit Ausstellungsraum entstanden, ein Ort des inspirativen Schaffens.
Der Abschied von Wien, wo Erfolge bereits etabliert waren, dann die Marktgemeinde Gols – eine neue Umgebung, ein neuer Künstlerkreis, neue soziale Strukturen, sich künstlerisch neu aufzustellen – all das ist Ihr gelungen. Eine neue künstlerische Adresse im Burgenland ist entstanden, eine Verbindung polnischer und österreichischer Kultur.
Du hattest im Mai eine große Ausstellung. Du hast 40 Jahre Leben in Österreich und Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, 30 Jahre Ausstellungstätigkeit und 15 Jahre Wohnen in Gols gefeiert. Die Ausstellung eröffnete der Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Wie hast Du das erreicht?
– Die wesentliche Rolle hat da die Liebe zu Malerei gespielt, die mich seit meiner Kindheit nicht losgelassen hat. Mein Vater war Maler und Bildhauer. Er war es, der mich mit dem Bazillus „Kunst” infiziert hat. Mit diversen Kursen und Privatstunden bei zwei bekannten Malern, zuerst bei Krayem, dann bei György Kornis, habe ich die verschiedenen Techniken der Malerei erlernt.
Step by step – eine Ausstellung brachte die nächste. Die Aufnahme in die Berufsvereinigung bildender Künstler Österreichs, die enge Zusammenarbeit mit der Kulturinitative Währing, wo ich immer wieder durch den Präsidenten Ferry Glatzl zu Einzelausstellungen eingeladen wurde, waren ebenfalls ausschlaggebende Ereignisse. Durch die diversen Ausstellungen habe ich wichtige Persönlichkeiten wie den verstorbenen Wiener Bürgermeister Dr. Helmut Zilk, Bürgermeister Michael Häupl, den Sozialminister Rudolf Hundstorfer und viele andere kennengelernt. Bundesminister Hundstorfer hat mich schon unterstützt, als er noch Vorsitzender bei der Gewerkschaft war, zum Beispiel bei verschiedenen Ausstellungen und beim Projekt „Die Donau“, das wir mit dem Filmemacher Herbert Macik realisiert haben.
Du beschäftigst dich mit einer ungewöhnlichen Stilrichtung in der Malerei namens „SpeleoArt“, malst Tropfsteinhöhlen; woher kam die Idee, in die Natur einzudringen?
– Anfangs konzentrierte ich mich auf Landschaftsmalerei, vorwiegend Aquarelle. Als ich das erste Mal eine Tropfsteinhöhle besuchte, war ich so fasziniert, dass ich mit SpeleoArt-Malerei begonnen habe. Ich bin auch Mitglied beim Seibersdorfer Höhlenforscher-Verein. Seit dieser Zeit besuche ich regelmäßig Tropfsteinhöhlen, fotografiere sie. Das Wichtigste ist jedoch, die einzigartige Stimmung einzufangen.
– Mit der Zeit begann ich Großformatbilder [160×210, 160×420] zu malen. In ihnen gebe ich Inspirationen, die von Höhlen- und Felsmotiven stammen (SpeleoArt) wieder. Die Speleo-Symbolik wird jedoch gewöhnlich aus ihrem Kontext herausgerissen, wodurch sie eine eigenständige Bedeutung erlangt.
Die häufig registrierte Rezeption meiner Werke ist der Eindruck der Belebung oder gar der Personifizierung der von Natur aus statischen und nichtorganischen Formen.
Die Mehrheit meiner Arbeiten besitzt keinen ihnen zugeschriebenen Titel – es geht um die Befreiung des Beobachters von den vom Künstler nahegelegenen Assoziationen.
Haben jemals Deine zwei Berufe kollidiert?
– Teilweise leider ja; die Zeit ist nicht dehnbar. Ich könnte mir vorstellen mehr Zeit für meine Leidenschaft zu haben. Anderseits ist es wiederum so, dass da ich finanziell unabhängig war, konnte ich mich immer „meiner Malerei” widmen, ohne Einschränkungen, ohne Existenzängste zu haben, eine eigene Stilrichtung zu entwickeln.
Welche Ausstellungen waren für Deine künstlerische Tätigkeit wichtig? Auf welche bist Du besonders stolz? Welchen Künstlervereinigungen gehörst Du an?
– Im Prinzip ist jede Ausstellung für mich wichtig gewesen, jede habe ich akribisch vorbereitet, weil alle mir ermöglicht haben, weiter zu kommen. Die Aufnahme bei der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler Österreichs „Schloß Schönbrunn“ war eine wesentliche Zäsur – danach bekam ich von der Gemeinde Wien eine Atelierwohnung, was mir ermöglichte, frei zu arbeiten. Ich bin, wie gesagt, auch Mitglied beim Seibersdorfer Höhlenforscher-Verein. Eins der wichtigsten Ereignisse in meinem Leben war für mich die persönliche Begegnung mit Papst Johannes Paul II. und, dass ich IHM mein Bild übereichen durfte. Bei den vielen Ausstellungen ist es schwer, eine Auswahl zu treffen. Für mich war immer wichtig, auch in Polen präsent zu sein (Tarnów, Tuchów). Einige Ausstellungen möchte ich jedoch hervorheben, wie zum Beispiel die Wanderausstellung in Polen, organisiert durch das Österreichische Konsulat (Kraków, Tarnów, Przemyśl, Opole, Wrocław), dann auch Pécs (Ungarn) im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt 2010, Japan, die Biennale in Florenz und diverse Kunstmessen und Beteiligungen an verschiedenen Ausstellungen, wie in Australien, Italien, Korea, Schweiz, Ungarn, USA, Tschechien.
Du bist jedoch eine Polin; ist es einfach für Dich gewesen, in österreichischen Künstlerkreisen aufgenommen zu werden? Und wie ist das gelaufen?
– Meiner Erfahrung nach spielt die Nationalität nicht immer eine Rolle. In den meisten Fällen ging es an erster Stelle um die Qualität, Stilrichtung und um den Menschen selbst. Im Leben findet man immer wieder Leute, die einen ablehnen, aber das finden wir überall, sowohl in Österreich als auch in Polen. Ich habe Glück gehabt, so viele Freunde für‘s Leben gefunden zu haben.
Deine Gemälde sind schöpferisch. Hat die Religion eine Bedeutung in deinem Leben?
– Religion ist ein wichtiger Bestandteil meines täglichen Lebens und auch in meiner Malerei
ist immer wieder die Auseinandersetzung mit diesem Thema vorhanden, wenn auch nicht
immer auf den ersten Blick sichtbar. Ich habe auch mit Modellieren und Steinbearbeitung
begonnen, das muss aber noch reifen.
Deine Zukunftspläne?
– Malen, malen und nochmals malen. Ich bereite mich aktuell auf eine Ausstellung in Wien vor, die im Herbst von der Kulturinitiative Währing organisiert wird, bei der ich auch schon seit fast 30 Jahren mitarbeite. Außerdem bin ich mit der Vorbereitung eines Kataloges sowie zwei Ausstellungen zu sehr konträren Themen befasst.
Polonika nr 245, Juni 2015